Wie Filterblasen die Sicht auf Silvester konstruieren
Radiotalk und Onlineartikel für Puls.
Recherche in Sozialen Netzwerken über verschiedene politische Seiten.
Hier gibt es den kompletten Onlinetext.
Wie Filterblasen die Sicht auf Silvester konstruieren
Unsicheres Chaos-Silvester oder ein ruhiger Start ins neue Jahr? Auf Facebook hängt die Einschätzung der Silvesternacht von der politischen Einstellung ab. Ein Überblick.
Schon wieder Köln. Ein Jahr nach den sexuellen Übergriffen auf der Domplatte stand die Stadt am Neujahrstag wieder im medialen Fokus. Diesmal aber nicht wegen Übergriffen, sondern wegen starker Polizeikontrollen, vor allem von ausländisch aussehenden Männern. Das riesige Thema am 1. Januar – zumindest für Fans von AfD-nahen Facebookseiten (welche das sein können, hat BR Data hier analysiert). Denn dort wurde die massive Polizeipräsenz am Kölner Hauptbahnhof sehr begrüßt.
Marcus Pretzell, der Vorsitzende der AfD in Nordrhein-Westfalen, bedankt sich für das „konsequente Durchgreifen der Beamten“, fragt aber gleichzeitig: „Können wir in Zukunft nur noch mit großen Polizeiaufgeboten feiern?“
PEGIDA-Gründer Lutz Bachmann lobt ebenfalls die vielen Polizisten – und kritisiert Merkel.
AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry hat in ihrer eigenen Neujahrsbotschaft schon am frühen Silvesterabend Bezug zu Köln genommen: Der Tipp von Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker, dass Frauen eine Armlänge Abstand halten sollten, um sich vor sexueller Belästigung zu schützen, habe die Hilflosigkeit und die Gleichgültigkeit der Regierung gezeigt.
So weit, so unspektakulär.
Silvester-Zusammenfassung: „Feiern wie in Aleppo“
Deutlich heftiger ist dagegen der Post vom rechtpopulistischen Compact-Magazin.
Unter der Überschrift „Feiern wie in Aleppo“ verlinkt der Post von Compact auf die eigene Zusammenfassung des Silvesterabends. Das Magazin versucht darin, in den Polizeiberichten Belege für negatives Verhalten von Flüchtlingen zu finden.
Der Schweizer Rechtspopulist Ignaz Bearth postete am Neujahrstag eine Collage mit allen Vorfällen des Abends – aus seiner Sicht. Seine Collage von Polizeimeldungen zur Silvesternacht enthält auch Meldungen aus Innsbruck, zum Anschlag in Istanbul und einen Ausschnitt zu einer Böllerexplosion in Nürnberg, die von einem Deutschen ausgelöst worden war. Für all das macht er in einem Text die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel verantwortlich.
Auch linke Portale kritisieren den Abend in Köln
Doch nicht nur in den Timelines der AfD-Anhänger war Köln ein Thema. Auch in den Timelines von links eingestellten Nutzern. Dort wurde die Polizei aber nicht gelobt, sondern kritisiert.
Die Kölner Polizei hatte einen Tweet abgesetzt, in dem von „Nafris“ die Rede war, die kontrolliert werden – gemeint waren nordafrikanisch aussehende Männer. Im Polizeijargon steht „Nafri“ für „nordafrikanischer Intensivtäter“. Für die sozialistische Zeitung „Neues Deutschland“ ist das klarer Rassismus.
Auch die LINKE in Nordrhein-Westfalen sieht im Vorgehen der Polizei eine Diskriminierung, weil wegen der Hautfarbe auf eine mögliche Straftat geschlossen worden sei.
Aus der Bundespolitik halten sich die Kommentare in sozialen Medien in Grenzen. Der migrationspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Volker Beck, schrieb auf Facebook:
Die Polizei in Köln hat diese Vorwürfe am Neujahrsmorgen zurückgewiesen. Kölns Polizeipräsident bereut aber inzwischen die Wortwahl des Tweets in der Öffentlichkeit.
Insgesamt war auf den linken Seiten aber deutlich weniger los, als auf den rechten. Auch dort gab es aber einen Aufreger wegen der Kölner Polizei. Die hatte manche ihrer Tweets nämlich auch auf Arabisch gepostet.
Was die AfD allerdings unterschlagen hat: Neben Arabisch gibt es die inhaltsgleichen Tweets auch auf Englisch, Französisch und Deutsch.
Das kleine Timeline-Experiment zu Silvester zeigt: Die Algorithmen hinter der Facebook-Timeline machen uns die Welt, wie sie uns gefällt – und aus einem Ereignis viele verschiedene Deutungsmöglichkeiten. Auch im neuen Jahr.